Martin Conrath, D
sub fiction

Epilog

Dem Umstand, daß Ansichten und Einsichten standortabhängig – mithin bedingt nur – an die Fähigkeit zur Fokussierung gebunden sind, verdanken wir – verkürzt – den Traum. Den adaptiven, den mit offenen Augen ebenso wie den sublimen, in dem sich erinnernd wie bewältigend die Wahrnehmungen mit den Dispositiven der Psyche zu verbinden suchen. In Derridas weitsichtigem Essay „Aufzeichnungen eines Blinden“ ist von dieser Art der Schöpfung aus dem Gedächtnis und für das Gedächtnis ausschließlich die Rede und nirgendwo besser scheint beschrieben, was es mit der Fiktion, mit der Erzählung, der teilhabenden Wiedergabe von Realität auf sich hat.

Einem anderen Umstand, der Asynchronität, mit der die Trauminhalte dem Wachsein vorauseilen und hinterherleuchten, verdanken wir die Gewißheit der stillen Teilhabe an einer sprachlosen Realität der Gesten, des Zeigens, der codexierten Bilder. Allesamt schon kulturelles Gut und Handelsware vor einem irgend spezifizierten Einsatz und auch deshalb gleich mit Widerständen, Aggressionen und Negationen behaftet, vermittelt sich in ihnen vor allem ein sozialer Raum, in dem statt der Dispositive der Psyche jene der Macht verhandelt werden. Darin ist mehr von den Notwendigkeiten zur Gruppenbildung und Machtakkumulation die Rede als von deren Dispersion.

Den beiden komplementär verschiedenen Umständen entspringt aber ein seltsam gemeinsames, imperiales Gehabe im Schweigen: ein irrlichternder Fokus ebenso wie die Erinnerung an ein gehabtes Versteck will sicherstellen, daß es wenigstens einen subsidarischen Ort gibt, von dem aus die Welt mindestens sprachlos eindeutig ist und besessen war, an dem sie morphologisch sich selber ähnlicher erscheint und in dem sie auf zähe Art Symbole parallel zum subsumtiven Kopfstand irgendwie gewußter Bilder sehen kann.

Es ist der Ort der Paradoxie, des logischen Zwitters, dem die Macht der Disposition zwar abhanden kam, der aber als ihr Vexierbild sie entlarvt als einen Gegenstand der Wahrnehmung, als Pose.

Gleichermaßen real wie fiktional, reicht diese Pose des Schweigens nun doch laut ins Erkennen: weil sie deutlich nichts mit dem Verstummen zu schaffen hat, in dem ein biederes Abfüttern mit Bildern liberalerweise verkleidet daherkommt. Listig wird die Synchronizität zugunsten eines kategorialen Versatzes verschwiegen, wo sich die Zeit schleppt oder schleppen läßt oder der Raum sich verschiebt und geschickt verschoben wird.

So wird die fiktionale Arbeit an der Realität der Fiktion subversiv: Sie ist getan, bevor ein statistisches Ansinnen gelingt und zählen kann und mit genauerem Hinsehen verschwindet sie.